Blockchain für Betriebswirte
Was ist eigentlich eine Blockchain?
Gleich vorneweg gesagt und um Sie zu beruhigen. Ich werde Sie in diesem Artikel nicht mit technischen Details langweilen und mit Fachbegriffen um mich werfen. Ich bin selbst auch kein IT-ler, sondern Betriebswirtin mit Affinität zur Technik. Abstraktes Denkvermögen und Wissbegierde sind dabei gute Voraussetzungen. Wenn ich die Blockchain mit einem Satz erklären müsste, würde ich sagen, dass es eine Aneinanderreihung von unveränderlichen Datenblöcken ist.
Das Wesen, die Vor- und Nachteile der Blockchain Technologie lassen sich an einem Gedankenexperiment leicht darstellen. Stellen wir uns vor, eine Gemeinde würde ihr Grundbuchamt abschaffen und stattdessen eine vollständige Kopie aller Grundbuchakten im Keller jedes Haushaltes der Gemeinde einlagern. Jedes Mal, wenn ein neuer Eintrag im Grundbuch erfolgt, erhält jeder Haushalt eine Kopie des Eintrags und legt diesen in der Akte im Keller ab. Dies hätte folgende Konsequenzen:
1. Es gäbe keine zentrale Stelle mehr, die für die Integrität des Grundbuches sorgt, sondern es wäre eine völlig dezentralisierte Struktur (Distributed Ledger).
2. Es würde nach und nach eine im Nachhinein nicht mehr veränderliche Datenbasis entstehen, die aufeinander aufbaut (Blockchain).
3. Die Datensicherheit wäre extrem hoch, da niemand in alle Haushalte gleichzeitig eindringen und den Grundbuchstand manipulieren kann (Einer der wesentlichen Vorteile der Blockchain Technologie).
4. Der Aufwand die Daten zu erhalten wäre extrem hoch (Einer der wesentlichen Kritikpunkte der Blockchain Technologie).
5. Solle ein Dissens entstehen, welcher Eintrag im Grundbuch nun der korrekte ist, so ließe sich dies über eine einfache Umfrage feststellen (Consensus).
Vom Bitcoin zur Blockchain
Eigentlich müsste die Überschrift anders lauten, denn der Bitcoin ist „nur“ eine Anwendung auf der Blockchain. Wobei die Blockchain-Technologie jedoch erst genau durch diese Anwendung ihre weltweite Bekanntheit und Aufmerksamkeit erfuhr. Kein Wunder, denn der Bitcoin als Anwendung auf einer Blockchain hat einen völlig neuen Markt eröffnet und dem Bitcoin haben inzwischen tausende neuer Kryptowährungen nachgeeifert. Zuvor waren kryptographische Verfahren, sogenannte Verschlüsselungs-technologien nur was für Computerspezialisten und Nerds.
Anwendung ist das richtige Stichwort. Der Bitcoin ist also eine Anwendung auf einer Blockchain. Denn was bringt einem die tollste Technologie, wenn sie keiner nutzt? So wurde die Bitcoin-Blockchain dazu konzipiert, dass sie sich zum Übertragen und sicheren Verwahren von Daten eignet, in diesem Fall handelt es sich um ein dezentrales und praktisch manipulationssicheres Datenregister.
Hier kommt die Finanzbranche ins Spiel, denn bisher war es nur sog. Finanzinstituten möglich, Gelder zu transferieren. Mit der neuen Technologie sind solche Intermediäre theoretisch obsolet (die Betonung liegt auf „theoretisch“), denn Kryptowerte lassen sich einfach „Peer-to-Peer“, also zwischen zwei gleichberechtigten Teilnehmern versenden.
Dabei ist zu beachten, dass schon alleine die Definition der eben genannten Begriffe für Verwirrung sorgen kann, so sind mit dem Begriff „Geld“ in diesem Artikel alle Finanzinstrumente wie Giralgeld, e-geld und Kryptowerte zusammengefasst. Kryptowerte sind gem. dem deutschem Kreditwesengesetz (KWG) Finanzinstrumente und können wie herkömmliches Geld ähnliche Funktionen aufweisen, wie z.B. das Bezahlen von Dienstleistungen oder Waren.
[Aufgrund der Komplexität und rechtlichen Heterogenität wird in diesem Artikel auf die Definition von Geld und Finanzmittel nicht näher eingegangen.]
Dies nur kurz am Rande erwähnt. Zurück zum Nutzen und der Finanzbranche, anhand deren Beispiele sich die Tragweite der neuen Technologie sehr gut verdeutlichen lassen.
Use case und Faktor X
Es kommt noch ein zweiter Faktor zum Tragen, der die Finanzbranche aufgewirbelt hat. Die sog. PSD2 Richtlinie, die seit 2020 in Kraft getreten ist, ermöglicht den Zugriff auf Kontodaten. Natürlich nur mit Einwilligung des jeweiligen Kontoinhabers. Die Zugriffsschnittstelle nennt sich API und wird z.B. von FinTechs genutzt, um Verbrauchern den Zahlungsverkehr und sämtliche damit verbundene Dienstleistungen zu vereinfachen. Ein sehr bekanntes FinTech-Unternehmen ist N26, eine Banking-App, die mittels API vorerst an die Wirecard Bank AG angeschlossen war und Ihren Kunden mobile Bankgeschäfte ermöglicht. Inzwischen hat N26 eine eigene Banklizenz und darf sich demzufolge auch Bank nennen. Natürlich kann eine Bank auch selbst ein FinTech sein, so wie die TEN31 Bank, die rechtlich gesehen zur WEG Bank AG gehört. Die in Ottobrunn bei München ansässige Privatbank hat es sich zur Aufgabe gemacht, die traditionelle Bankenwelt mit der Blockchaintechnologie zu verknüpfen. Neben bereits erfolgreich implementierten Produkten, wie dem Bankkonto für Kryptobörsen, plant die Bank eine eigene Mobile Banking App, mit der Kunden nicht nur ihre gängigen Bankgeschäfte erledigen können, sondern direkt aus ihrem Girokonto heraus Kryptowerte kaufen und verkaufen können. Wenn es die Bank schafft, das Vorhaben umzusetzen, dann ist sie weltweit die erste Bank, die diese Dienste anbieten kann und darf sich berechtigterweise Kryptobank nennen. Die TEN31 Bank arbeitet zudem auch mit anderen innovativen FinTechs auf der ganzen Welt eng zusammen. So ist z.B. die Litecoin sowie die NIMIQ Foundation, die Salamantex GmbH und seit kurzem auch Anquan Capital bzw. Zilliqa, ein asiatisches Technologieunternehmen der Bank als Aktionär beigetreten.
FinTechs sind übrigens nicht nur im Bankenbereich zu finden, sondern auch in der Versicherungsbranche und bieten weiterhin ihre Dienste an, wenn es um Beratung zur Geldanlage und um die Vorsorge geht. So macht z.B. der Robo-Advisor von Scalable Capital einen Fondmanager überflüssig, indem er durch ein mit Algorithmen hinterlegtes System ETF`s steuert.
Man könnte noch zahlreiche weitere FinTechs aufzählen, um die Situation zu verdeutlichen: Von heute auf morgen können bisher bekannte und funktionierende Geschäftsmodelle und –strukturen aufgebrochen und neu gedacht werden. Wer dieses „Out of the box“-Denken beherrscht, beherrscht die Zukunft. Naja, zumindest hat man gute Karten. Ansonsten könnte es passieren, dass man bei einem zu langen Verharren in der „Komfortzone“ irgendwann vor vollendete Tatsachen gestellt wird und die Unternehmens-strategie nicht mehr mitgestalten kann. Als Negativbeispiel kann hier im Zuge der Digitalisierung die verschlafene Implementierung von Onlineshops bei diversen Kaufhausketten genannt werden.
Betriebswirte sind darauf spezialisiert, Prozesse zu optimieren. Nicht umsonst wird ihnen schon im Studium der KVP („Kontinuierlicher Verbesserungs-prozess“) eingetrichtert. Selbst das Rad wurde nochmal neu erfunden — mit dem heute sehr beliebten E-Bike.
Blockchain für alle?
An dieser Stelle kommen wir zum Knackpunkt der Geschichte. Obwohl die Blockchain-Technologie gerade bei der Prozessoptimierung gut eingesetzt werden kann, so heißt das nicht, dass das in jedem Betrieb sinnvoll und notwendig ist. Es kommt darauf an, ob der sich daraus ergebende Nutzen den Aufwand übersteigt. Das bedingt eine eingehende Analyse. Auch ohne Blockchain kann man ein innovatives und zukunftsträchtiges Unternehmen führen. Was aber noch viel wichtiger ist, ist ein ganzheitliches Umdenken im Unternehmen (gerade im Zuge der Digitalisierung), denn die Einführung der Technologie erfordert in erster Linie das dazugehörige Mindset. Die schönste Datenbank hat noch keinem genutzt, wenn sie nicht „gelebt“ wird.
Die Einsatzfelder sind jedenfalls vielfältig. Neben der Finanzbranche ist vor allem die Logistikbranche ein Nutznießer der neuen Technologie. Auch der Energiesektor könnte mittels dezentraler Strukturen neu aufgemischt werden sowie die Schiff- und Luftfahrt, das Gesundheitswesen, die Pharmaindustrie etc. p. p.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Dezentralität und der damit verbundenen Eigenverantwortung jedes Einzelnen. Die Datenhoheit geht wieder zurück an den Menschen und weg von Datenkraken wie Facebook, Google und Co. Letztlich profitiert der Endverbrauchern am meisten davon und der Endverbraucher wird bestimmen, wo die Reise hingeht.
Von der Vision zur Disruption
Vision, Innovation, Evolution, Revolution, Disruption. Ja, was ist sie denn nun, die neue Welt der Blockchain & Distributed Ledger Technologie?
Wahrscheinlich eine Mischung aus allem. Dabei werden die Zeit und die Menschen zeigen, was sie daraus machen. Das Potential zu einer Neustrukturierung der Wirtschaft und Gesellschaft hat sie auf jeden Fall. Auch die Erfindung der Eisenbahn, der Elektrizität, des Autos und des Internets haben einen tief greifenden Wandel hervorgebracht.
D.Y.O.R. (Do your own research)
Die Welt der Kryptographie ist unglaublich groß und eine Wissenschaft für sich. Und die Blockchain-Technologie befindet sich noch in den Kinder-schuhen. Es heißt, wenn sich eine neue Technologie zehn Jahre am Markt gehalten hat, hat sie sich durchgesetzt. Der Bitcoin ist diesen Januar 11 Jahre alt geworden, somit ist der „Proof of Concept“ erbracht.
Es gibt über das ganze Thema noch unendlich viel zu berichten, sodass ein Artikel lange nicht ausreicht, um Sie ausreichend zu informieren. Aus diesem Grund kann ich Ihnen nur einen groben Überblick bzw. Einführung geben. Mit einem Augenzwinkern und ganz nach dem Branchenmotto verabschiede ich mich deshalb mit dem Satz: „Do your own research.“.